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Baltikum_Tour-gesamt_klein

Das Baltikum besteht aus den Ländern Estland, Lettland und Litauen. Alle drei sind spätestens 2004 Mitglied der Europäischen Union. Estland hat bereits den Euro, Lettland (Lats) und Litauen (Litas)  besitzen noch eigene Währungen, die aber an den Euro fest gekoppelt sind. Der Name “Baltikum” wurde Ende des ersten Weltkrieges als Sammelbegriff für das Okkupationsgebiet auf russischem Territorium geprägt. Die Nachbarn sind Russland, Polen und Weißrussland. Gut die Hälfte der Tourteilnehmer entschied sich für die Anreise mit dem Schiff von Travemünde nach Helsinki, die planmäßig rund 30 Stunden dauert. Weiter geht es dann wieder per Schiff von Helsinki nach Tallinn/Estland. Diese Überfahrt nimmt lediglich rund zwei Stunden in Anspruch. Andere Teilnehmer reisten teilweise mit dem Auto via Polen an oder flogen direkt nach Tallinn. Dort trafen sich dann alle Tourteilnehmer und starteten am dritten Tag in Tallinn nachmittags die Baltikum-Experience unter der Führung von Andreas Renz von der Promotion GmbH in Fulda. 

Fahrstrecke insgesamt ca. 2.300 km, max. Steigung ca. 35 %, max. Höhendifferenz ca. 150 m

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Erstaunlicherweise sind wir nicht ein einziges Mal kontrolliert worden, weder bei der Einreise mit dem Schiff, noch bei den Grenzübertritten innerhalb des Baltikums. Sämtliche Grenzübergänge waren unbesetzt, man konnte völlig frei passieren. Dennoch ist es ratsam, einen internationalen Führerschein dabei zu haben, eine grüne Versicherungskarte, Ersatzglühbirnen und einen Feuerlöscher. Es kann vorkommen, dass bei einer Kontrolle dies überprüft wird. Fehlt etwas an Bord, dann kann das zu einer teuren Verwarnung führen. Ich habe nach einem Glühbirnenpack bei VW für den Touareg nachgefragt und musste erfahren, dass es den nicht gibt. Also habe ich einige Birnen zusammen stellen lassen, die ich dann, eingewickelt in einer Folie, mitgenommen habe. Das erschien mir preiswerter zu sein, als eine Strafe in unbekannter Höhe.
Da die Wege häufig reine Erdstraßen sind, die Waldwege schmal mit Pfützen übersäht und auch teilweise längere, tiefgründige Schlammpassagen aufweisen, sollte man die passende Bereifung wählen. Hier sind MT-Reifen den AT-Reifen vorzuziehen. Ich bin in einer dieser Schlammdurchfahrten hängen geblieben und schaffte die letzte ca. 30 cm hohe Schwelle zum rettenden “Ufer” aus eigener Kraft nicht mehr. Meine mehr feinprofiligen ATR-Reifen, die mehr für Schotterpisten geeignet sind, hatten sich dermaßen mit Schlamm zugesetzt, dass sie keinen Grip mehr hatten. Mit einem kurzen Ruck an der Abschleppöse half mir ein anderer Touareg, der mit seinen grobstolligen MT-Reifen problemlos die Piste bewältigt hatte, aus der Patsche. Aus dieser Erfahrung heraus, kann ich nur raten, die in der Karte angeführten Strecken auf keinen Fall allein zu befahren.

Nach dem langjährigen Kalender, ist die Regenmenge im September im Baltikum am höchsten. In den ersten Tagen schauerte es dann auch immer wieder bei Temperaturen um die 8° C morgens. Dann besserte sich das Wetter, die Sonne kam hin und wieder heraus, und in Riga hatten wir sommerliche 21°. Insgesamt können wir uns also über das Wetter nicht beklagen.
Insgesamt waren wir vom 21. bis 30. September 2012 unterwegs, also 10 Tage, in denen die Gruppe der Touaregfreunde wieder einmal freundschaftlich und harmonisch zusammen gehalten hat, unter der Führung von Andreas Renz von der Promotion GmbH, der uns sympathisch und professionell durchs Baltikum leitete.

Reiseroute:

1. Tag

Individuell reisten wir nach Travemünde. Dort sollte das Schiff mitten in der Nacht gegen drei Uhr planmäßig ablegen. Boarding ab 23 Uhr. Gegen 19 Uhr erhielt ich bereits einen Anruf, wo ich denn bliebe. Ich stieg gerade in meiner Garage in den Touareg. Geduldig warteten die Touaregfreunde auf meine Ankunft, die immer noch sehr zeitig um 22 Uhr war. Die meisten Teilnehmer kannte ich noch von der Korsika-Tour im Vorjahr. Es gab ein herzliches Wiedersehen. Die Europalink der Reederei Finnlines verließ mit einer Stunde Verspätung gegen 4 Uhr Travemünde. Zu dieser Zeit schlummerten wir schon längst in den komfortablen Kabinen.

2. Tag

3. Tag

Den gesamten Tag verbrachten wir auf See bei relativ ruhigem Wetter. Wir frühstückten spät und hatten dennoch nicht ausgeschlafen. Für zwei Mal Frühstück und ein Mal Abendessen bezahlte man rund 45 Euro. Dafür gab es jeweils ein sehr gutes Buffet. Wegen des späten Frühstücks verzichteten alle auf das Mittagessen. Andreas erklärte uns die Tour anhand einer detaillierten Karte. Vorfreude auf die Tour machte sich bemerkbar. Die Europalink wird besichtigt, ein Schiff mit einer Länge von 220 m, 31 m Breite und einem Tiefgang von gut 7 m. Leider teilte der Kapitän uns mit, dass eine der vier Maschinen ausgefallen sei und wir deshalb weitere zwei Stunden Verspätung bekommen würden. Zusammen mit der verspäteten Abfahrt waren das gut drei Stunden, die wir zu spät in Helsinki ankommen würden. Die vorgesehene Stadtbesichtigung fiel deshalb buchstäblich ins Wasser.

Ankunft in Helsinki gegen 10:30 Uhr, mit über drei Stunden Verspätung. Rund eine Stunde dauert es, bis wir die Europalink verlassen haben. Wir begeben uns sofort auf die Fahrt zum auf der anderen Seite von Helsinki liegenden Fährhafen nach Tallinn. Es regnet in Strömen. Nach einer knappen Stunde erreichen wir den Terminal, gerade noch rechtzeitig, denn man muss spätestens eineinhalb Stunden vor planmäßiger Abfahrt eintreffen. Wieder ist es ein großes Schiff , die Star, die uns in gut zwei Stunden nach Tallinn bringt. Die Überfahrt ist ruhig. Tallinn liegt spektakulär in dichten Wolken vor uns. Die zahlreichen Türme der Stadt schimmern im fahlen Licht. Es regnet nicht mehr. Im Hafen treffen wir auf die mit dem Auto bzw. Flugzeug angereisten Tourteilnehmer. Jetzt sind wir vollzählig. Nach einer halben Stunde geht es los. Immerhin müssen wir von ca. 16 Uhr am Nachmittag noch 220 km bewältigen. Die ersten Kilometer sind langweilig. Die Straßen sind alle in sehr gutem Zustand, bestens asphaltiert. Dann beginnen die Erdstraßen und es wird interessanter. Die bestehen aus festgewalztem bindigen Boden, meistens Lehm, der von den Reifen hochgeschleudert wird und die Touaregs schon bald farblich nicht mehr unterscheiden lässt. Als erste Attraktion begehen wir eine schwankende Hängebrücke bei Joesuu, fahren leider nur durch den sehr schönen Soomaa Park hindurch. Es ist das größte Moor in Estland und beheimatet zahlreiche Vogelarten, auch Hexen und Dämonen soll es hier geben. Gegen 20 Uhr erreichen wir unser Hotel in Viljandi, das Grand Hotel Viljandi.

4. Tag

5. Tag

6. Tag

7. Tag

8. Tag

9. Tag

10. Tag

Resumee

Wir starten gegen 9 Uhr in Viljandi, unser Etappenziel ist Sigulda, das bereits in Lettland liegt. Bis dahin sind es rund 225 km, meistens befahren wir Erdstraßen und winzige Waldwege, die gehörig schlammig sind. Schon nach einer Stunde gibt es einen unfreiwilligen Stopp: zwei Bäume sind über den Weg gestürzt und versperren die Weiterfahrt. Sofort werden die mitgeführten Sägen ausgepackt, das Hindernis zersägt und beiseite geräumt. Dann geht die Fahrt weiter. Kurze Zeit später überschreiten wir die Grenze nach Lettland. Sie ist völlig unbewacht. Wir können ohne jegliche Kontrolle passieren. Gegen Mittag erreichen wir den Gauja Nationalpark, der von allen Ländern des Baltikums die größte Fläche einnimmt. Die Gauja hat hier ein bis zu 85 m tiefes Urstromtal geschaffen. Sie windet sich in zahlreichen Biegungen durch die Felsformationen, die aus Sandstein, Kalkstein bis hin zum Dolomit bestehen. Wir wandern an den steilen Felswänden entlang, an denen man hilfreiche Treppenanlagen gebaut hat. In den weitläufigen, lichten Wäldern wachsen zumeist die für das Baltikum typischen Birken. Die nicht sehr dicken Stämme sind wie die Orgelpfeifen senkrecht und zueinander parallel gewachsen. Hier wachsen zahlreiche Pilze, die teils malerisch aus den graugrünen Flechten herausschauen. Wir fahren weiter durch den Park und queren die Gauja mit Hilfe einer Fähre, die floßähnlich aus dem Mittelalter zu kommen scheint. Sie funktioniert ausschließlich per Handbetrieb. Ein junger Fährmann zieht an einem Seil, das um eine sehkrecht stehende Umlenkrolle läuft und an beiden Ufern fest verankert ist. Zwei Touaregs passen auf dieses Gefährt. Beim Anlegemanöver muss rangiert werden, um durch Gewichtsverlagerung den Ausstieg zu ermöglichen. Dann geht es über eine hölzerne Rampe, der man kaum das Gewicht eines Touaregs zutraut, steil ans Ufer. Weiter geht es auf schmalen, fast zugewachsenen Waldwegen Richtung Süden. Die teilweise langen Schlammpassagen sind tiefgründig. Meine ATR-Reifen setzen sich bei einer Passage so zu, dass ein anderer Touareg, der mit grobstolligen MT-Reifen unterwegs ist, Hilfestellung geben muss. Gegen Abend erreichen wir Sigulda, eine Stadt, in der die Ordensritter bereits ihre Spuren hinterlassen haben. Leider können wir aus zeitlichen Gründen die historischen Stätten nicht besichtigen. Wir übernachten im Hotel Villa Alberta.

Rund 360 km wollen wir heute fahren, bis wir ein malerisch gelegenes Guesthouse erreicht haben, das mitten im Seegebiet von Latgale liegt. Wir starten in Sigulda wieder gegen 9 Uhr und entdecken nach ein paar Stunden Fahrt eine malerische Kirchenruine. Die roten Backsteine der Außenmauern sind noch ganz gut erhalten. Kurt fährt seinen Hybrid Touareg in das Kirchenschiff. Fotos für den nächsten Touaregfreunde-Kalender werden geschossen. Wir rollen einen schweren Stein in die Durchfahrt, so dass der Touareg selbst im Extra-Level keine Chance hat, dieses Hindernis zu überwinden. Unter Gejohle rollen zwei Helfer den Stein wieder an die Seite. Über Erdstraßen und Waldwege geht es weiter. Wir erreichen einen stählernen, recht hohen Aussichtsturm. Die Stufen sind hoch, man muss große Schritte machen, um auf die obere Plattform zu gelangen. Die Aussicht ist dann eher enttäuschend. Man sieht lediglich den Wald von oben, schaut auf ein paar kleinere Seen, das ist schon alles. Mehr kann man auch eigentlich in dieser Landschaft nicht erwarten. Gegen 16 Uhr erreichen wir das Guesthouse. Es liegt wirklich sehr schön auf einem kleinen Hügel an einem See, dahinter wachsen die Birken. Gleich zwei dieser Häuser befinden sich auf dem großzügigen Gelände, ein weiteres kleines erweist sich als Sauna. Die Häuser sind allesamt mit bewachsenen Dächern bedeckt und passen sich daher noch besser der Landschaft an, und sie sind sehr komfortabel eingerichtet. Strom und Wasser sind vorhanden, jeweils ein großer Flachbildfernseher, ein rustikales, aber modernes Badezimmer stehen zur Verfügung. Da nicht genügend Zimmer für uns vorhanden sind, übernachte ich mit Gernot in einem Raum. Gernot ist so rücksichtsvoll, dass ich noch nicht einmal höre, dass er nachts aufsteht. Andreas, unser Guide, zündet mit normalem Birkenholz einen Grill an, der sich vor dem unteren Gebäude befindet. Er grillt das in Sigulda eingekaufte Fleisch und die Würstchen wie ein Grillprofi auf den Punkt genau. Auf der Terrasse unseres Guesthouses genießen wir zusammen das Essen und die Aussicht auf den See. Gern wären wir hier noch länger geblieben, zumal der Besitzer der Anlage wenige hundert Meter weiter selbst wohnt und sich rührend um unsere Bedürfnisse kümmert. Die genaue Lage des Guesthouses ergibt sich aus den GPS-Daten.

Gegen 9 Uhr starten wir zur 430 km langen Etappe, die uns nach Kaunas in Litauen führen wird. Etwa eine Stunde später passieren wir die Grenze von Lettland nach Litauen. Wieder ist sie völlig unbewacht. Wir machen einen kleinen Abstecher zu dem Museumsdorf Suminai, das malerisch am See Baluosag liegt. Einige typische Häuser sind hier zu sehen, die über dem See liegen. Insgesamt nichts Außergewöhnliches, aber einen Umweg wert. Noch am Vormittag werfen wir einen Blick auf das im Abbruch befindliche, einzige Kernkraftwerk Litauens bei Ignalina. Es liegt direkt am Druksiai-See und ging 1983 in Betrieb, als Litauen noch zur Sowjetunion gehörte. 2004 wurde es stillgelegt. Es handelt sich hier um den gleichen Typ, der die Katastrophe von Tschernobyl auslöste. Wir fahren weiter und legen eine Mittagspause ein am Tauragnas-See. Am frühen Nachmittag erreichen wir das Hauptziel unserer diesjährigen Experience-Tour: den Mittelpunkt Europas. Er liegt rund 25 km nördlich der litauischen Hauptstadt Vilnius, bei dem kleinen Dörfchen Purnuskes. Französische Geographen haben ihn mit den Koordinaten 54° 54´ nördlicher Breite  und 25° 19´ östlicher Länge erst im Jahr 1989 festgelegt als Schnittpunkt der Achsen Gibraltar-Ural und Nordkap-Kreta. Eine im Europapark 2004 errichtete Säule mit einem Sternenkranz und ein massiver Granitstein, in den die geographischen Daten eingraviert sind, kündigen diesen Mittelpunkt Europas eindrucksvoll an. Nach dem obligatorischen Gruppenbild fahren wir weiter auf relativ gut befahrbaren Waldwegen, teilweise auch über zugewachsene Wege, bis nach Kaunas. Wir übernachten im komfortablen Hotel Europa Royal, das ehemals eine alte Druckerei war und sehr schön umgebaut wurde.

Da wir heute Riga, die Hauptstadt Lettlands, besichtigen wollen. brechen wir schon etwas früher in Kaunas auf und fahren ausschließlich auf asphaltierten Straßen und Autobahnen die rund 320 km bis nach Riga, das auch unser Etappenziel ist. Wir passieren die Grenze Litauen-Lettland, die wieder unbewacht ist. Gegen 14 Uhr treffen wir ein und erleben den ersten Verkehrsstau im Baltikum. Es ist sommerlich warm geworden. Die Temperaturen liegen bei sonnigen 21°. Riga hat immerhin 700 Tausend Einwohner und ist damit die größte Stadt im Baltikum. Sie ist wirtschaftliches und kulturelles Zentrum Lettlands. Sehenswert ist vor allem die Altstadt, an der unser Hotel, das Old Riga Palace, direkt angrenzt. Von hier aus kann man sehr gut fußläufig die Altstadt besichtigen. Nur einige Highlights möchte ich erwähnen: eindrucksvoll die Kirche St. Peter, auf deren Turm ein Fahrstuhl führt. Von oben hat man einen wunderschönen Blick auf die Altstadt, auf die Daugawa, an der Riga liegt und auf die Zeppelinhallen. Gleich in der Nähe befindet sich das Schwarzhäupterhaus mit dem Roland davor. Es zeigt die Verbundenheit mit Bremen, denn Riga wurde bereits im Jahr 1201 vom Bremer Bischoff Buxhoeveden gegründet. Ein paar Schritte weiter befindet sich der Dom, der leider restauriert wurde und daher komplett eingerüstet war. Eindrucksvoll sind die vielen kleineren mittelalterlichen bunten Gebäude, darunter das Dreibrüder Haus, das eigentlich aus drei einzelnen Häusern besteht, die gar nichts mit einander zu tun haben und auch noch aus unterschiedlichen Jahrhunderten stammen. Das Katzenhaus krönt eine schwarze Katze, die mit dem Hinterteil  geringschätzig auf das Haus der Gilde zeigt. Ein Kaufmann, der von der Gilde nicht aufgenommen wurde, hat es errichtet. Das gefiel den deutschen Kaufleuten nun überhaupt nicht und sie machten einen Deal mit ihm, der da lautete, dass er aufgenommen würde, wenn er die Katze umdrehen würde. Das Schloss liegt direkt an der Daugawa, die früher Düna hieß. Hier stand früher eine Burg, die 1330 als Festung für den Schwertbrüderorden errichtet und danach mehrfach zerstört wurde. Heute residiert in einem Flügel des Schlosses der lettische Staatspräsident. An der Freiheitsstatue versammeln sich gern die Rigaer, Hochzeitspaar legen hier Blumen ab. Erstaunlicherweise ließen die Sowjets, denen die Freiheitsstatue ein Dorn im Auge war, das Denkmal unangetastet. Den Abend verbringen wir in einem ganz ausgezeichneten Restaurant in der Altstadt.

Die längste Etappe der gesamten Tour führt uns heute zunächst zum Kap Kolka an der Nordspitze der Rigaer Bucht und dann weiter zum kleinen Städtchen Kuldiga. Wieder befahren wir die nun schon gewohnten Erdstraßen und verschlungenen Waldwege, zunächst durch den Nationalpark Slitere und dann stets am Meerbusen entlang. Leider sehen wir das Meer nicht, da zwischen Straße und Meer immer ein breiter Waldgürtel liegt. Gegen Mittag erreichen wir das Kap. Das Wetter ist sehr wechselhaft. Endlich können wir von dem Besucherparkplatz zum Meer hinunter gehen. Es ist fast stürmisch, hohe Wellen rauschen ans Ufer, auf dem fotogen alte, schon weiß gefärbte Baumreste liegen. Wir entdecken ein Schild, auf dem ein Hinweis zu lesen ist, dass Baden an dieser Stelle mit Lebensgefahr verbunden ist. Es fängt stark an zu regnen. Wir eilen zurück zum Parkplatz und machen Mittag im Schutz eines kleinen überdachten Pavillons. Über Waldwege fahren wir weiter und erreichen nach ein paar Stunden das Radio-Astronautische Center Ventspils. Hier haben die Sowjets zu Spionagezwecken einen riesigen Parabolspiegel gebaut. Noch heute ist er mit seinen 32 m Durchmesser der größte Nordeuropas. Wir dürfen die Anlage besichtigen. Ein englisch sprechender Guide führt uns. Hanno übersetzt sehr gut für alle ins Deutsche. Wir erfahren, dass die Sowjets die Anlage schleifen wollten, aber dann nur Teile zerstörten. Gut zehn Jahre lag die Anlage still und verrottete langsam. Dann fanden sich Wissenschaftler, die auf freiwilliger Basis die Anlage in jahrelanger Arbeit wieder funktionstüchtig machten. Die Leistung ist deshalb auch besonders zu würdigen, da es keinerlei Konstruktionspläne mehr gab. Heute ist das Radioteleskop Teil der weltweiten Kette und sucht vor allem nach Weltraumschrott. Wir klettern bis zum Schüsselrand und blicken von hier oben auf die Touaregs, die plötzlich ganz klein erscheinen. In den vergangenen Tagen sind wir mehrfach über Bahnübergänge gefahren, ohne allerdings jemals einen Zug gesehen zu haben. Heute stehen wir vor einem dieser Bahnübergänge eine halbe Stunde lang. Ein langer Güterzug versperrt den Weg. Am frühen Abend, in der Dämmerung, erreichen wir unser Etappenziel Kuldiga. Wir übernachten im Hotel Metropole und stellen erschreckt fest, dass es bereits die letzte Hotelübernachtung auf unserer diesjährigen Tour sein wird. Unseren Touaregs sieht man die Strapazen des Weges längst an. Sie sind über und über mit beigefarbigem Lehm überzogen. Wir müssen immer wieder die Nummernschilder und die Rückleuchten freikratzen, um keine Strafe zu kassieren. Ich stelle fest, dass der Matsch wie Beton in meinen Felgen festsitzt, was zu einer unangenehmen Unwucht führt. Ab einer Geschwindigkeit von rund 100 km/h werde ich fast aus dem Auto vibriert. Mehrmals täglich reinige ich deshalb mit einem langen Schraubendreher so gut wie möglich die Felgen von Innen.

Es ist der letzte Fahrtag unserer Tour. Nach einer Strecke von 325 km werden wir Klaipeda erreichen, den Fährhafen an der Kurischen Nehrung in Litauen, von dem wir übersetzen werden nach Sassnitz auf Rügen. Natürlich fahren wir wieder über schmale Waldwege, passieren fast unmerklich die Grenze nach Litauen, die diesmal nur durch einen farbigen kleinen Pfosten gekennzeichnet ist, der am Wegesrande steht. Ein paar Stunden später liegt der Weg voller Bauschutt. Jemand scheint versucht zu haben, die gröbsten Schlaglöcher mit diesem Material zu füllen. Wahrscheinlich hatte er zuviel Bauschutt, denn gleich mehrere Stellen sind über hunderte von Metern fast unbefahrbar geworden. Dann stehen wir plötzlich vor einem großen Steinhaufen, der einfach mitten auf den Weg gekippt wurde und noch nicht verteilt ist. Was tun? Wegräumen oder durchs Gebüsch umfahren? Einige machen sich daran die Steinbrocken auf die Seite zu werfen. Schnell stellen wir fest, dass dies eine zeitraubende Beschäftigung ist. Andreas fährt schließlich mit seinem Amarok als erster durch das Gebüsch und schafft es. Alle anderen folgen und werden eingewiesen. Noch einmal legen wir eine Mittagsrast ein und genießen das frische Brot und die Wurst, die Reinhold teilweise mitgebracht hat, auf einem malerisch direkt am Meer gelegenen Waldplatz, auf dem alle Touaregs Platz finden. Am Nachmittag machen wir dann noch einen Abstecher zu dem nördlich von Plunge gelegenen, in der Sowjetära streng geheim gehaltenen Raketenabschuss Gelände. Heute ist es ein “Cold war museum”, das eindrucksvoll die Gefahr schildert, in der wir in Europa uns damals befanden. Von hier aus konnten die Sowjets mit ihren Raketen ganz Europa treffen. Die Anlage ist von Außen nur an den halbschalen förmigen Abdeckkuppeln der Raketenschächte zu erkennen. Alles andere befindet sich unter Tage. Wir besichtigen die unterirdischen Stellungen, die realistisch rekonstruiert sind. Ein Sicherheits-Offizier sitzt direkt am Eingang und kontrolliert. Jetzt ist es nur eine Puppe, damals war es Wirklichkeit. Wir werden durch die Gänge geführt von einem deutsch sprechenden Guide. Wir sehen die großen Räume, in denen Salpetersäure als Hauptbestandteil des Raketenantriebs gelagert wurde und stehen schließlich direkt am Raketenschacht, der mit einem Netz gesichert ist. Er ist schätzungsweise gut 20 m tief und jetzt gut ausgeleuchtet. Über uns befindet sich die kuppelförmige Schachtabdeckung. Ein unheimlicher Anblick! In einem anderen Raum sind Propagandaplakate aus der Zeit des kalten Krieges ausgehängt. So lange ist das alles gar nicht her. Insgesamt ist diese Besichtigung eine eindrucksvolle Entdeckung, die uns die Vergangenheit mit all ihrem weltpolitischen Gefahrenpotential noch einmal drastisch vor Augen geführt hat. Am späten Nachmittag erreichen wir Klaipeda, das frühere Memel und fahren zu dem Hotel, von dem aus die zweite Gruppe der Touaregfreunde gleich am nächsten Tag wieder mit Andreas als Guide, die gleiche Tour beginnen wird, allerdings in umgekehrter Richtung. Da wir wieder zwei Stunden vor planmäßiger Abfahrt unseres Schiffes im Hafen sein müssen, bleibt leider keine Zeit mehr zu einem gemeinsamen Abendessen. Der Fährhafen liegt etwa eine halbe Stunde entfernt auf der anderen Seite von Klaipeda. Rechtzeitig treffen wir ein, übergeben Andreas unsere Walkie-Talkies, bedanken uns bei ihm für die hervorragende Führung und verabschieden uns herzlich. Wir fahren mit der Vilnius von der Reederei Seaways. Die Überfahrt wird planmäßig 18 Stunden dauern.

Unser Fährschiff, die Vilnius von Seaways, erweist sich als nicht sehr komfortabel. Sie ist schon älter und offensichtlich mehr als Fracht-, als Passagierschiff gebaut. Wir haben zwar alle eine Außenkabine, der man allerdings das Alter auch deutlich anmerkt. Sie ist eng, zwei Betten sind übereinander angeordnet, aber es ist auch eine Dusche vorhanden, die sogar bestens funktioniert. Es gibt zwei Ladedecks, von denen das untere komplett im Schiff liegt, das obere ist zur Hälfte unter freiem Himmel. Unsere Touaregs stehen zwischen großen Lkws und Eisenbahnwaggons im Freien. Das hat auch einen Vorteil, denn in der Nacht regnet es heftig und unsere äußerst verschmutzten Fahrzeuge werden gratis schon einmal vorgereinigt. Ein feiner Lehmkranz ist deutlich um jeden Touareg herum zu erkennen. Wir haben starken Gegenwind, so dass wir wieder mit Verspätung zu rechnen haben. Insgesamt treffen wir wohlbehalten, aber gut zwei Stunden später als geplant in Sassnitz ein. 20 gähnend langweilige Stunden hat die Überfahrt gedauert. Wir sind froh, als wir endlich mit unseren Fahrzeugen das Schiff verlassen können. Von hier reisen die Teilnehmer individuell ab.

Gut 2.300 km haben wir im Baltikum insgesamt zurück gelegt, bis auf zwei Reifenpannen am selben Fahrzeug gab es keinerlei Pannen. Die Teilnehmer unserer Gruppe der Touaregfreunde erwiesen sich wieder einmal als sympathische und fröhliche Zeitgenossen, die das Fahren mit dem Touareg lieben und  bereit sind, das Fahrzeug an seine Grenzen zu bringen. Diese Baltikum-Reise in der flachen Moränenlandschaft war vom Gelände her längst nicht so spektakulär wie die in der Bergwelt Korsikas, aber sie hat dennoch Spaß gemacht, gerade auch wegen der “Schlammschlachten”. Leider haben wir bis auf Riga nicht viel von den Sehenswürdigkeiten der Städte gesehen, dafür aber kennen wir nun (fast) alle Wälder des Baltikums in und auswändig.
Nicht einfach war es, einen Film von vier Kameras mit über sieben Stunden Material auf eine noch verträgliche Länge zu schneiden. Herausgekommen ist ein Film mit einer Gesamtdauer von fast genau 1,5 Stunden, den ich leider aus Platzgründen nicht auf dieser Homepage einstellen kann. Dafür sollen die Fotos, die über das Fotobuch erreichbar sind, einen Überblick geben und einen Eindruck vermitteln. Auf dem Film sind zahlreiche Schlammdurchfahrten zu sehen, leider habe ich davon kaum Fotos. Insofern gaukelt das Fotobuch eine saubere Piste vor.

Unser besonderer Dank gilt unserem Guide Andreas Renz von der Promotion in Fulda, der uns professionell und sympathisch nicht nur geführt hat, sondern der uns mit heißem Kaffee, Wurst und Käse versorgt hat, der für uns gegrillt hat und uns hervorragende Restaurants in allen drei Ländern des Baltikums zur Kenntnis brachte. Andreas, mach weiter so!